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Es geht also um Wahrheit, Göttinnen und Pop. Nicht Marvel, aber DC Comics. Diana Prince, die mit Gal Gadot besetzte Amazonenprinzessin, schwingt als Wonder Woman in der gleichnamigen Comicverfilmung aus dem Jahr 2017 das "Lasso of truth".

Es war William Moulton Marston, Psychologe und Comic-Fan, der All-American Comics, den Vorläufer der DC Comics, davon überzeugte, dass die Welt der Superhelden Platz für eine weibliche Figur machen muss. Wonder Woman sollte bieten: “all the strength of a Superman plus all the allure of a good and beautiful woman“. Marston ist zugleich als Erfinder des Lügendetektors in eine noch ganz andere Geschichte eingegangen. Allerdings kann Wonder Woman’s “lasso of truth” auch das: dem männlichen Personal der Geschichte das Lügen austreiben. Ein bemerkenswerter Verschnitt, der da als dezidiert feministischer Kontrapunkt schon in den 1940er Jahren die Welt der Superhelden betritt. Wonder Woman lässt sich nicht auf eine oberflächliche Alibifigur zurückstutzen. Die Figur ist als Amazonenprinzessin gründlicher als andere Superhelden in der griechischen Mythologie verankert. So aufgestellt nimmt es nicht Wunder, dass sie in den 1960er Jahren als prominentes Motiv in der Popart Karriere macht.

Die bietet noch andere ikonische Frauenfiguren und darauf bezieht sich Sophie Horvaths malerisches Unternehmen. Warhols Siebdrucke inthronisieren Marilyn Monroe als museumstaugliche déesse unserer Alltagsmythen und Horvath erorbert dieses noch immer nicht erschöpfte Motiv der Popart für die Wahrheit der Malerei zurück. Die biographische Komplexität der Figur, die die ikonische Verkürzung in Warhols Siebdrucken trägt, kehrt in Horvaths malerischem Cover der Warhol’schen Drucke zurück. Dabei geht es beileibe nicht um männliche Fantasmen, sondern um ein noch immer und wieder wirkmächtiges Imaginäre. Im Medium von Horvaths Malerei wird aus dem auflagenstarken Druck ein Portrait, das in immer neuen Variaten den Blick auf weit mehr als die Ikone ausweitet.

In Ulla Hahns vor allem malerischer Arbeit spielt das Foto schon lange eine prominente Rolle. Über viele Jahre vor allem als Vorlage für Fotoübermalungen, die die im Genre des Familienfotos geläufige narrative Prägnanz malerisch überhöhen. Eine ans Bild gebundene Prägnanz, die bei verblasster Erinnerung ans tatsächliche Geschehen die abgebildeten Figuren sicher verdichtet und glättet, aber zugleich in eine Präsenz hebt, die mitunter noch den olfaktorischen Sinn bespielt. Man riecht in die Vergangenheit.

Aus dieser Arbeit am fotografischen Bild haben sich in den zurückliegenden Jahren teils großformatige Galerien in der print-Welt gefundener Frauenportraits entwickelt. Ein wandfüllendes Kaleidoskop aus 300 Frauenporträts im Postkartenformat hat Hahn bei ihrer letzten Einzelausstellung in der Galerie Vincenz Sala präsentiert (Succes, Juni 2019). Und doch geht keines dieser Frauenporträts in der Masse unter, keines wird in einen unzulässigen Dienst gestellt. Es sind Porträts aus einer anderen, aber gut bekannten Zeit und sie erzählen von dieser Zeit, dabei aber keineswegs auf eine nur dokumentarische Wertigkeit zurückgestutzt. Der Betrachter liest Bild für Bild, meint hier und noch einmal dort eine celebrity zu erkennen, vernetzt die Porträts in die ein und andere Richtung, stutzt auch bei der Begegnung mit lookalikes, und findet sich vor allem eingetaucht in eine unabgeschlossene Vielfalt komplexer Biographien, die greifbar werden. Hahns Frauengalerien blättern die allenthalben präsente ikonische Verkürzung, die das wirkmächtige Imaginäre schöpft, in eine Vielzahl individuierter Porträts auf. In „Lasso of truth“ sind es ausnahmslos rauchende Frauen, die die Galeriewand bespielen. Es gibt diesen Nebel kaum mehr. Aber man kennt ihn noch und kennt auch den gestischen Apparat, der aus dem Nebel vorscheint. Eine vertraute Welt, die nicht ins Schlüssige überführt wird, sich nicht in eine stringente Erinnerung fügt und wieder als auch olfaktorische Einbildung befängt.

Es geht bei „Lasso of truth“ um eine andere Wahrheit als die geläufige, die die Dinge auf den einen Punkt bringen will. Eine sozusagen Lasso-schwingende Wahrheit, die viele Bilder braucht, um den einen (irrigen) Punkt immer wieder neu zu umkreisen. Dafür stiftet das durch ikonische Verkürzung begründete Imaginäre noch immer unabgeschlossene biographische Pluralität und viele Wahrheiten, die in viele gültige Bilder münden. Davon bietet “Lasso of truth” reichlich.